Erwartungshorizont
– Thema A – Gliederung -- Vorschlag für die Ausformulierung
Erschließen und interpretieren Sie das
Gedicht „Der Spinnerin Nachtlied“ (1802) von Clemens von Brentano!
Analysieren sie dabei genau die Klangstruktur und die Reime des Gedichtes und
gehen Sie auch auf die Zeitgestaltung und die Grundstimmung des Gedichts ein.
Clemens Brentano,
„Der Spinnerin Nachtlied“, 1802
Erschließen
und interpretieren Sie das Gedicht. Analysieren Sie dabei die Klangstruktur und
die Reime des Gedichtes und gehen Sie auch auf die Zeitgestaltung und die
Grundstimmung des Gedichts ein.
1
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Es sang vor langen
Jahren
Wohl auch die Nachtigall,
Das war wohl süßer
Schall,
Da wir zusammen waren.
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5
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Ich sing und kann nicht weinen,
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein,
So lang der Mond wird scheinen.
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10
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Da wir zusammen waren,
Da sang die Nachtigall,
Nun mahnet mich ihr Schall,
Daß du von mir gefahren.
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15
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So oft der Mond mag scheinen,
Gedenk ich dein allein,
Mein Herz ist klar und rein,
Gott wolle uns vereinen.
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20
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Seit du von mir gefahren,
Singt stets die Nachtigall,
Ich denk bei ihrem Schall,
Wie wir zusammen waren.
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Gott wolle uns vereinen,
Hier spinn ich so allein,
Der Mond scheint klar und rein,
Ich sing und möchte weinen!
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A.
Angaben zum Autor Clemens Brentano, Gattung (Gedicht in Form eines Volkslieds),
Entstehungszeit (Hochromantik), romantische Elemente bereits im Titel des
Gedichts (Nacht, Lied)
Fokussierung:
Im Folgenden (In meiner Analyse) betrachte ich zunächst
die äußere Form des Gedichts, vor allem auch die Klangstruktur und die Reime,
danach erschließe ich den Inhalt und die Zeitgestaltung und gehe dabei auch auf
die Grundstimmung des Gedichts ein. Abschließend versuche ich eine
Gesamtinterpretation.
- Sechs Strophen à vier Verse (= Volksliedstruktur), Versmaß 3-hebiger Jambus, imitiert das Drehen des Spinnrads (ebenso wie die Klangstruktur, s.u.); Verse 1 und 4 jeweils mit weiblicher Kadenz, Verse 2 und 3 mit männlicher Kadenz, Reimschema abba-cddc-abba-cddc usw., umarmender Reim;
- Reimwörter b „Nachtigall/Schall“ und c „allein/rein“ in allen betreffenden Strophen gleich; zirkuläre Struktur: Reimschema wie Ringelreihen oder Kinderlied durch die häufige Wiederholung der gleichen Reimwörter.
- Klangstruktur: Überwiegen der Vokale a, i und ei. Reimwörter b in Strophen mit weiteren Reimwörtern mit Vokal a (Jahren/waren/gefahren); Reimwörter d in Strophen mit weiteren Reimwörtern mit Diphthong ei (weinen/scheinen/vereinen). Ketten- und Ringform dieser Reimwörter, z.B. weinen – scheinen – scheinen – vereinen – vereinen – weinen. Störung der Ringform durch „waren“ (V. 20), dadurch aber dreimalige Wiederholung und Betonung des Verses „… wir zusammen waren“ (V. 4, 9, 20).
1. Inhalt: Erinnerung einer
jungen (?) Spinnerin (= lyrisches Ich) an früheres Liebesglück, vielleicht
durch den Tod des Geliebten beendet; Wunsch nach Vereinigung mit dem Geliebten
durch Gottes Hilfe..
2. Romantische Motive zur Verbindung
zwischen dem Einst und dem Jetzt: Sehnsucht; Nacht /Mond, Nachtigall/Gesang/Schall,
Zusammensein/Einsamkeit, reines Herz. Das
Motivereservoir ist begrenzt und tritt in immer neuen Kombinationen auf >
Sinnentleerung, Konzentration auf Klang.
3. Zeitgestaltung: Doppelung
einzelner Verse in den Tempora Vergangenheit und Gegenwart, z.B. „Es sang (…)
die Nachtigall / Da sang die Nachtigall / Singt stets die Nachtigall“ (Vv. 1-2,
10, 18) usw. Wirkung: Auflösung der Zeitstruktur; Verschmelzung von
Vergangenheit und Gegenwart, teilweise auch Futur („So lang der Mond wird
scheinen / Der Mond scheint klar und rein“) oder Konjunktiv bei Wünschen (vgl.
V. 16, 21).
4. Grundstimmung: Wehmütige
Erinnerung an glückliche Zeiten mit dem Geliebten, Traurigkeit und Einsamkeit
in der Gegenwart. Betonung von Reinheit und Klarheit (der Gefühle), Nacht und
Gesang als Möglichkeiten, mit dem (toten ?) Geliebten in Verbindung zu treten.
1.
Sehnsucht nach der Einheit mit dem Geliebten (Einheit
als gesamtromantisches Motiv), Verklärung der Nacht (Mond) und der Musik
(Nachtigall, süßer Schall, singen) als Medien der Erinnerung und der
Überschreitung von Realität; Eins-Werden mit dem Geliebten.
2. Sprache als Musik:
Kreisbewegung, Wiederholungen, Beschwörung, Magie der Sprache
3.
Musik statt Tränen, Musik als Trost, Musik als
Sphärenklang (Mond).
4. Auflösung der
rationalen Zeitstruktur, Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart. 5. Bedeutungsverlust der Inhaltsebene, Aufwertung des musikalischen Klangs der Sprache und ihrer Assoziationskraft
C. Romantische Lied-Kompositionen z.B. von Franz Schubert
als logische Umsetzung der romantischen Vorstellung der Einheit von Poesie und
Musik. [oder: Literaturgeschichtliches Vorbild: die mittelalterlichen
Rundlieder.]
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